Zusammenfassung
Ein eigenständiger belgischer Staat besteht erst seit 1831, als eine vorläufige Regierung die belgische Unabhängigkeit proklamierte (Schilling/Täubrich 1990: 23ff.). Das erfolgreiche Zusammengehen von Liberalen und Katholiken brachte schließlich den Erfolg der Autonomiebestrebungen im Jahr 1830 und 1831 die Bildung eines selbständigen Königreichs Belgien. Belgien wurde zunächst als konstitutionelle Monarchie konzipiert, der Verfassungstext ließ jedoch den Weg zu einer weiteren Parlamentarisierung des politischen Systems offen. In wesentlichen Teilen, z.B. dem ausführlichen Grundrechtskatalog, der Verankerung der Gewaltenteilung sowie der Betonung der parlamentarischen Verantwortung der Regierung konnte die Verfassung ihrer inneren Struktur nach fast als republikanisch bezeichnet werden. Für zahlreiche andere europäische Verfassungen sowohl des 19. als auch des 20. Jahrhunderts wurde die belgische Verfassung zum Vorbild. Der ausgeprägte republikanische Charakter der Verfassung ist zu verstehen als das Bestreben, sich von der autokratischen Herrschaftspraxis des niederländischen Monarchen Wilhelm I. abzusetzen. Da die Verfassung von einem in der Nation begründeten Begriff der Volkssouveränität ausging, ließ sie die Entwicklung in Richtung eines parlamentarischen Systems offen, ohne daß hierzu Verfassungsänderungen erforderlich gewesen wären.